Institut für Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftspädagogik

OSSENA - Projektbeschreibung

Ernährung - die Herausforderung der Zukunft

Die dominanten Ernährungskulturen in den westlichen Wohlstandsgesellschaften zeitigen ökologische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Probleme, die zunehmend ins öffentliche Bewusstsein drängen und mittlerweile Heerscharen von ExpertInnen in Politik und Wissenschaft beschäftigen. Es ist unbestritten, dass im Felde der Ernährung eine der größten Herausforderungen der Zukunft liegt. Weniger klar ist allerdings, wie dieser Herausforderung begegnet und wie insbesondere dem stetig lauter werdenden Ruf nach einer „nachhaltigeren Ernährungskultur“ Rechnung getragen werden kann, die Ressourcenschutz, soziale Gerechtigkeit, wirtschaftliche Stabilität und individuelles Wohlbefinden vereint.

Ernährungskultur - ein vielschichtiger Begriff

Der Fokus des Forschungsprojektes richtet sich daher darauf, die Möglichkeiten und Grenzen einer nachhaltigen Ernährungskultur auszuloten. „Ernährungskultur“ umfasst dabei nicht nur die konsumentenseitige Dimension der Auswahl und des Verzehrs von Lebensmitteln, die mit gesellschaftlichen Normen und Werten, mit Ritualen, symbolischen Bedeutungen und öffentlichen Meinungen über das Essen in Verbindung steht. Zur Ernährungskultur gehören ebenso die Weisen der landwirtschaftlichen oder industriellen Erzeugung von Nahrung, deren Distribution und Vermarktung sowie die Techniken der Zubereitung von Speisen und die im Ernährungsfeld relevanten materiellen Kulturgüter wie z.B. Kochgeräte und Essgeschirr. Um der Vielschichtigkeit des Feldes gerecht zu werden, ist eine disziplinübergreifende Kooperation notwendig, die in einer Bündelung von Kompetenzen aus den Bereichen der Agrarwissenschaften, der Ernährungssoziologie, der Pädagogik und Psychologie sowie einer kulturtheoretisch orientierten ökonomischen Forschung realisiert wird. Damit wird der noch immer überwiegend ökologisch dominierten Nachhaltigkeitsforschung im Felde der Ernährung eine grundlegende sozial‑ und kulturwissenschaftliche Erweiterung an die Seite gestellt.

Regionale Ernährungskultur - mehr als nur Küche der kurzen Wege

Als zentrale Kriterien einer nachhaltigen Ernährungskultur sollen dabei insbesondere die Aspekte „Regionalität“ und „Qualität“ ins Auge gefasst werden, und zwar in ihrer kulturellen Dimension. Das heißt, es geht mit dem Konzept einer regionalen Ernährung nicht nur um eine territorial verstandene Nähe, um eine „Küche der kurzen Wege“, sondern auch um die Entwicklung sozialer Kommunikationsräume, um emotionale Vertrautheit und um Lebensnähe. Ebenso soll der Begriff Ernährungsqualität nicht wie allzu oft auf Größen reduziert bleiben, die sich lediglich auf die biologisch/chemisch messbaren Eigenschaften von Lebensmitteln beziehen (z.B. Vitamingehalt, Wassergehalt, Farbe, Größe, Schadstoffbelastung etc.). Die Qualität von Nahrung bemisst sich – als exponierte Bestimmungsgröße der Lebensqualität – für die einzelnen Menschen im Alltag zentral nach ihren symbolischen und emotionalen Eigenschaften und schließt den Genussaspekt wesentlich mit ein. Unter Gesichtspunkten von Nachhaltigkeit ist für die Ernährungsqualität nicht zuletzt aber auch die Prozessqualität entscheidend, d.h. die (kulturellen, sozialen, ökonomischen, ökologischen) Bedingungen und Folgen, die mit der Erzeugung, Verarbeitung, Lagerung und Verteilung von Lebensmitteln verbunden sind.

Empirisch bezieht sich das Forschungsvorhaben OSSENA auf die Region Ostfriesland. Diese Region ist – auch aufgrund ihrer geographischen Randlage – ernährungskulturell durch eine deutliche Polarisierung zwischen traditionalen, an Zeiten schwerer körperlicher Arbeit orientierten Essmustern und den als „modern“ apostrophierten Fast‑Food‑Präferenzen gekennzeichnet. Ein ausdifferenziertes Angebot zwischen diesen Polen ist nicht sehr ausgeprägt, so dass der ernährungskulturellen Alternative einer den heutigen Bedingungen angepassten nachhaltigen, aus regionalen Produkten zusammengesetzten Kost gute Durchsetzungschancen eingeräumt werden können.